aussichten: Cotopaxi
             
             
   
  
     
         
             
      COTOPAXI      
             
 
 

Unser Zeltplatz am Fuße des Berges könnte schöner nicht sein: Blumen, wohin man sieht, die in viertausendzweihundert Meter Höhe der Witterung trotzen und sich, wenn man versehentlich den Fuß auf sie setzt, binnen weniger Momente wieder aufrichten.

Doch es regnet, regnet in einem fort, und wo sich gestern noch wenigstens in kurzen Fenstern die Hänge des Vulkans zeigten, bleibt jetzt nur feuchtes, dunkelgraublaues Gewölk. Wir verkriechen uns in unseren Zelten, versuchen zu schlafen, um vorbereitet zu sein, falls es am Abend trocken sein sollte.

 

     
     

 

     
     

Und tatsächlich, zu Sonnenuntergang endet der Regen, und gegen Mitternacht machen wir uns an einer steilen Gletschermoräne auf in den Nebel. Nach kaum einer halben Stunde die Überraschung: Die letzten Wolkenfetzen bleiben zurück, über uns die Sterne, und im Licht des Mondes das schimmernde Eis des Gletschers. Wir legen die Steigeisen an und bilden zwei Seilschaften, dann geht es weiter hinauf.

Im nächtlichen Aufstieg durch die ausgedehnte Eisflanke sind das Fortschreiten der Zeit und der Gewinn an Boden und Höhe nicht festzustellen, man muss daran glauben. Gelegentlich blitzen im Licht der Stirnlampen meterhohe Skulpturen aus Eis auf, wie es sie nur an den hohen Bergen der Tropen gibt, und erinnern an die spitzen Zähne lichtloser Tiefseefische.

Der Rücken wird schmaler, wird ausgesetzter, der Wind nimmt zu, die Kälte in mittlerweile fünftausendfünfhundert Metern ist schneidend. Eine erste Ahnung der Sonne lässt den Horizont erröten, und in der fernen Tiefe leuchten die Lichter von Quito. Vor uns erhebt sich Yanasacha, die schwarze Wand: derart aufgeheizt von der erdinneren Wärme, dass sich das Eis nicht an ihr zu halten vermag. Fast steif gefrorene Finger sind das Tribut für einige atemlose Fotos.

An der schwarzen Wand vorbei steigen wir mit einer spitzen Kehre weiter auf die Gipfelkuppe und den Kraterrand zu. Der Wind fegt Eiskristalle vor sich her, und die aufgehende Sonne zeichnet den Schatten des Vulkans auf die dunstigen Schichten der Atmosphäre, weit ins grüne Land hinaus. Bald dann der Gipfel, fast sechstausend Meter hoch. In der Ferne unser nächstes Ziel, der noch etwas höhere Chimborazo, zu Füßen der eisfreie Schlund des Kraters.

Der Abstieg dann ist lang, mit weicher werdenden Knien im weicher werdenden Schnee, und bald stört nicht mehr die Kälte, sondern die Hitze des Tages. Nach Erreichen der Moräne gönnen wir uns eine ausgedehnte Rast, und etwas später ist es geschafft: Die Beine sind am Ziel, nur der Kopf braucht noch eine Weile, um zu begreifen, wo wir gewesen sind, und vom Lagerplatz auf der Blumenwiese geht unser Blick immer wieder hinauf zum jetzt wolkenlosen Gipfel.